Alles und Nix – Episode 2

Heute durfte ich diversen Online Medien entnehmen, dass Julian Assanges Toilette in der ecuadorianischen Botschaft in London, in die er insgesamt sieben Jahre lang seine Wiki-Leaks hinein verrichtet haben dürfte, einst (oder genauer: im Jahre des Herrn 2016) von einem spanischen Klempner repariert werden musste, der extra für diesen einen Job nach London ein- und dann wieder ausgeflogen wurde.

Julian
Assange

Die ganze Aktion soll 4.000 Euro gekostet haben...

…was manche Journalisten sensationell, wenn nicht gar erschütternd finden. Ich persönlich verstehe die Aufregung nicht ganz, wenn ich mir überlege, was ein Wiener Klempner verlangt, der in Wien mein Wiener Häusl zu Wiener Preisen reparieren soll, wofür keine einzige Flugreise und auch kein viertägiger Aufenthalt in einer der teuersten Städte Europas notwendig sind. Die 4.000 Mäuse sind gemessen daran eigentlich ein Schnäppchen, und da muss jemand einen wirklich guten Draht zum Klempner aus Spanien gehabt haben, um eine dermaßen attraktive Preisgestaltung zu ermöglichen.

Aber wurscht.

Eigentlich wollte ich mich zu einem anderen Detail bezüglich Assanges Exzentrik auslassen. In einem Atemzug mit dem spanischen Klempner wurde in den besagten Artikeln auch von Assanges Angewohnheit berichtet, TV-Interviews nur halbbekleidet zu absolvieren, also sozusagen „unten ohne“. Er verhüllte nur jene Teile seines Körpers, die im Fernsehen zu sehen waren. Und das finde ich in der Tat sehr bemerkenswert, nicht zuletzt deshalb, weil ich keine Motto-Partys mag (wait for it).

Ich finde Motto-Partys sehr anstrengend. Einerseits, weil es sich in neun von zehn Fällen um Achtziger Jahre Partys handelt, und ich als Kind der Achtziger alles, was mit dieser Periode zu tun hat, gleichermaßen liebe wie fürchte (Notiz an mich selbst: Nostalgie-Rant für eigenen Blog-Artikel aufsparen), und andererseits, weil es schlicht und ergreifend mühsam ist, sich ein angemessenes Outfit zu besorgen. Es ist zwar schon irgendwie lustig, wenn man dann schließlich auf der Party gelandet ist, und alle Leute ringsum – so wie man selbst – ein bissl dämlich ausschauen; es ist allerdings weniger bis gar nicht lustig, sich im Vorfeld durch den Bestand mehrerer Second Hand Shops oder Kostümläden wühlen zu müssen, um überhaupt mal angemessen dämliche Klamotten zu finden, die man anschließend kaufen und genau einmal anziehen darf. Letzteres, weil man nicht zwei Motto-Partys mit ein und demselben Outfit besuchen darf, weil dort ja auch größtenteils immer dieselben Motto-Gäste anzutreffen sind, die sich dann hinterher das Motto-Maul zerreißen.

Grenzen ziehen

Wer zu einer Motto-Party einlädt, sollte meiner Meinung nach auch die Klamotten für all seine Gäste schon parat haben. Wer mir so ein Festl antut, und dann auch noch erwartet, dass ich mir selbst ein Kostüm dafür besorge, der geht davon aus, dass ich ihn gern genug habe, um eine so wahnsinnige Vorstellung in die Realität umzusetzen. Aber wenn es sich bei dieser Person weder um meinen Sohn, noch um meine Lebensgefährtin handelt, dann ist diese Annahme höchstwahrscheinlich falsch. Irgendwo muss man ja schließlich eine Grenze ziehen, ich mache das bei der Kernfamilie (Notiz an mich selbst: Alltagstaugliche Formen der Misanthropie für eigenen Blog-Beitrag aufsparen).

Was hat meine ungustelige Einstellung gegenüber Motto-Partys mit dem Assange zu tun, fragen sie sich mittlerweile bestimmt. Nun – Alles und nix natürlich. Die Angewohnheit von Julian Assange, nur jene Körperhälfte zu bekleiden, die im großangelegten medialen Stil übertragen wird, hat mir eine fast transzendentale Wahrheit eröffnet: Das Kostümieren ist hauptsächlich deshalb so gschissn anstrengend, weil man verhältnismäßig einfach ein ganz cooles Oberteil käuflich erstehen kann, aber dann Stunden damit zubringen muss, passende Hosen und Schuhe zu finden, die sich damit kombinieren lassen, ohne den Look komplett zu zerstören. Nicht umsonst ist ein besonders unangenehmer Teil der Hölle für jene, bestenfalls als Teilzeit-Nerds zu bezeichnende Menschen reserviert, die zu Fasching oder Halloween das Oberteil einer Star Trek Uniform (erhältlich in jedem Comicladen – und zwar NUR das Oberteil) mit Jeans und Sneakers kombinieren. 

Ich nenne so etwas übrigens „Kotz-Play“, nur damit sie’s wissen.

Wie auch immer, wenn sämtliche Motto-Partys gleichzeitig und ausnahmslos auch „Unten ohne“ Partys wären, dann sähe die Welt ganz anders aus, und sie müssten diesen unglaublich blöden Blog Artikel jetzt nicht lesen. Tja – dumm gelaufen.

Oberkörper-Only Kostümierung

Zum Abschluss möchte ich den Gedanken der Oberkörper-Only Kostümierung noch etwas weiter führen und auf einen Bereich übertragen, der nach Innovationen solcher Art geradezu lechzt: Video Calls, Skype Konferenzen, Face Time Chats – eben Telkos mit laufenden Webcams. Die gesamte Businesswelt, dieser megalomanische, mausgraue, halberstickt vor sich hin röchelnde Komplex, könnte sich an einschlägigen Motto-Videokonferenzen in Windeseile gesund stoßen. Im Gegensatz zu Motto-Partys wäre man hier recht schnell dabei. Schließlich reicht ein Oberteil und vielleicht ein witziges Accessoire, und natürlich ein ordentlicher Schuss guter Laune, und schon kann‘s los gehen. Hosen, Röcke, Schuhe – völlig wurscht, weil von der Webcam nicht erfasst.

Die Möglichkeiten sind schier endlos.

Zum Beispiel: Kick-off Skype Meeting zu einer großen Werbekampagne zwischen einer hippen Agentur und einem reaktionär angehauchten Traditionsunternehmen. Das Motto: die allseits beliebte TV-Serie „Mad Men“. Die Herren tragen Hemd, Sakko und gelockerte Krawatte, in der einen Hand ein alkoholisches Getränk (z.B. Vodka Martini oder Stoli-Flasche) und in der anderen Hand zu jedem Zeitpunkt des Gesprächs eine brennende Zigarette; die Damen tragen hochgeschlossene Blusen oder Cocktailkleidchen, dazu entweder gar kein oder entschieden zu viel Makeup. Jedes Mal, wenn eine weibliche Gesprächsteilnehmerin etwas sagt, muss ihr mindestens einer der Herren im Call anzüglich via Webcam zuzwinkern, während der Inhalt des soeben Gesagten von ausnahmslos allen Teilnehmern rückstandslos ignoriert wird. Im Laufe des Video Calls muss sich dafür mindestens einer der männlichen Teilnehmer, gut sichtbar für die Webcam, übergeben und/oder einen Herzinfarkt haben.

Auf diese Weise würden sich die beiden unterschiedlichen Lager, die an dem Gespräch teilnehmen, auf Basis ihres größten und einzigen gemeinsamen ästhetischen Nenners begegnen, was die Situation gewiss angenehmer und entspannter gestalten würde, als dies ganz ohne Motto möglich wäre. Für diese Art des Kostümierens im Kommunikationskontext habe ich übrigens die Bezeichnung „Com-Play“ erfunden, was nun auch die Überschrift dieses Artikels hinlänglich erklären dürfte.

Ich wollte zwar noch mehr Beispiele bringen, aber jetzt mag ich nicht mehr und erkläre diesen Artikel für beendet (Notiz an mich selbst: Zukünftige Blog-Artikel nicht ganz so abrupt abschließen, das könnte faul und unsympathisch wirken).

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Michael Lenzinger

Michael Lenzinger

Schreibt allerhand. Creative Director / Partner bei Junge Römer. Clowngitarrist bei You Should See the Other Guy
Michael Lenzinger

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