Ein Creative Director schreibt weder übers Kreativsein, noch übers Directen. Episode 1.
Vor ein paar Tagen habe ich festgestellt, dass mein rechter Schuh einen Kieselstein beherbergt. Bei jedem einzelnen Schritt macht sich dieser winzige Störenfried auf unangenehme Weise bemerkbar. Es wäre ein Leichtes, ihn aus dem Schuh zu entfernen, aber aus irgendeinem Grund mache ich das nicht. Der Stein ist also immer noch da drin. Weil er zwar schon irgendwie stört, aber so sehr dann auch wieder nicht. Ich bin nicht unbedingt wehleidig. Und es gibt sicher wichtigere Probleme.
Probs…
Etwas anderes, was fast genau das Gleiche ist:
Gestern habe ich diese furchtbaren Facebook Messenger Chat-Bubbles (ich nenn das jetzt mal so) deaktiviert. Ich meine diese depperten Kügelchen, die plötzlich am Smartphone Screen aufpoppen, wenn eine Facebook Bekanntschaft eine Nachricht an einen schreibt. Man kann sie frei auf dem Screen herum schieben, damit sie nicht so im Weg sind und man jene Inhalte besser sehen kann, die man tatsächlich sehen möchte, aber irgendwie stören diese Bubbles trotzdem. Immer. Man kann sie nach unten schieben, über so ein X-Symbol, und dann verschwinden sie für kurze Zeit. Aber die nächste Message kommt bestimmt, meist schon ein paar Sekunden später, und dann poppt die Bubble wieder auf.
Zwei Jahre. 10 Sekunden.
Diese Scheißdinger habe ich (gefühlt) zwei Jahre lang ausgehalten, mit Regelmäßigkeit quer über den Screen meines Telefons hin und her geschoben und dabei gleichermaßen die Bubbles und mich selbst mit einer gewissen Leidenschaft verachtet. Dann erst, tatsächlich gestern, habe ich es über mich gebracht, in die Einstellungen zu gehen und sie dauerhaft abzustellen. Das hat zehn Sekunden gedauert und jetzt ist Ruhe. Zwei Jahre. Zehn Sekunden. Warum? Weil die Bubbles oder wie der Scheiß heißt (sicher nicht Bubbles) zwar schon ziemlich gestört haben, aber so sehr dann auch wieder nicht. Und es gab und gibt ja sicher wichtigere Probleme.
Wie dieses/dieser Blog zum Beispiel. Junge Römer betreibt jetzt einen Blog und jeder von uns soll sich ein passendes Thema suchen und dazu eine Reihe von Artikeln verfassen. Das weiß ich schon seit einigen Wochen und trotzdem schiebe ich diese Aufgabe vor mir her, als wäre es das schlimmste To-do, das mir jemals jemand ins PM-Tool eingetragen hat. Blog ist ein supermühsames Wort, das beginnt schon damit, dass es eigentlich „das Blog“ heißen sollte und fast jeder „der Blog“ sagt. Das alleine reicht mir schon, um mich nicht näher mit Blogs beschäftigen zu wollen.
Schreib was!
Dann weiß ich auch überhaupt nicht, was ich da reinschreiben soll. Als Creative Director produziere ich zwar täglich Texte – Konzepte, Drehbücher, zynische Haikus – aber dabei geht es immer automatisch um irgendwas: Um ein mehr oder weniger vorgeschriebenes Thema, um ein bestimmtes Ziel, das der Kunde erreichen will, und nicht zuletzt um mein Einkommen. In diesem Blog darf es jetzt um alles gehen. „Schreib einfach irgendwas, was dich interessiert“, haben die Kollegen gesagt. „Irgendein Tutorial oder so“.
Keine Sorge – Ein Microsoft Word Tutorial erspare ich ihnen und mir an dieser Stelle, genauso wie irgendeinen Kurs im kreativen Schreiben oder sowas. Ich weiß selbst noch immer nicht, wie man „richtig“ kreativ ist. Ich erscheine einfach zur Arbeit, trinke dort zu viel Kaffee und leide mich irgendwie so durch, bis ich wieder heimgehe.
Manchmal wäre es super, den Computer gegen eine Schreibmaschine zu tauschen. Nicht aus irgendwelchen nostalgischen Retro-Hipster-Gründen (mir ist schon klar, dass es unterm Strich viel mühsamer ist, mit einer Schreibmaschine zu arbeiten, aus etlichen Gründen), sondern damit man in die Lage kommt, seinen Texten, den oftmals frustrierenden, unzureichenden „Früchten“ der eigenen Arbeit, physische Gewalt anzutun – ein Privileg, das uns Textproduzenten in einer digitalen Welt fast völlig abhandengekommen ist.
Ich stelle mir das großartig vor: Man tippt so vor sich hin, völlig unzufrieden mit dem Schwachsinn, den man zu Papier bringt, bis die Frustration so groß geworden ist, dass man plötzlich aufspringt und wutentbrannt das halb beschriebene Blatt der Walze entreißt. RRRRITSCH macht es dann, natürlich urlaut, damit alle anderen im Büro einen Grund haben, leicht verstört zu einem rüber zu schauen. Schließlich fokussiert man all seinen Hass darauf, das Blatt zusammenzuknüllen und in eine weit entlegene Ecke des Büros zu schleudern. Das stelle ich mir sehr reinigend vor. Therapeutisch. Schön.
Am Computer geht das alles nicht.
Man kann Texte löschen, okay. Das befriedigt aber null. Und wenn man sich abgeregt hat, muss man nur Strg-Z drücken und der Mist steht wieder da als wäre nie was gewesen. Man könnte den Text ausdrucken, aber dann muss man sich noch ein paar Sekunden gedulden, zu dem beruhigend vor sich hin schnurrenden Drucker hinübergehen – und bis man dann endlich ein zusammenknüllbares Blatt Papier in der Hand hat, das noch nicht mal ein Unikat und beliebig oft herstellbar ist, ist die Wut wahrscheinlich verflogen und man kommt sich – völlig zurecht – ziemlich lächerlich vor.
Na gut.
Seien sie auch nächstes Mal wieder dabei, wenn es um Alles und Nix (Tendenz: Nix) geht.